Gitarrenfestival in Erl: Faszinierender Flamenco
Gitarrenfestival in Erl: Faszinierender Flamenco
Maskulin und elegant: El Choro überzeuge als Tänzer. Links: Stargitarrist Vicente Amigo. Neubecker
Der Gitarrist Vicente Amigo gilt als eine der prägenden Figuren des Flamenco. Nun trat er mit seiner Band im Festspielhaus in Erl auf.
Erl – Mit einem besonderen Höhepunkt endete ein dreitägige Gitarrenfestival in Erl. Vor dem eigentlichen Konzertabend stimmten im Foyer schon die Teilnehmer eines Flamenco-Workshops auf die Musikrichtung ein. Bereits hier verblüfften jugendliche Saitenkünstler in lockerem Rahmen die Gäste.
Julia Malischnig, selbst Spitzengitarristin und zugleich Mitwirkende und Koordinatorin der kleinen, feinen Reihe, begrüßte als Stargast keinen Geringeren als Vicente Amigo, der zusammen mitTomatito als einer der prägenden Protagonisten des Flamenco gilt. Sieht man von Konzerten in München ab, gastierte Amigo schon einmal in der Region, und zwar im Jahr 2011 bei den „Saitensprüngen“ in Bad Aibling, sodass sich einige im vollen Saal vielleicht noch erinnerten.
Klangbilder voller Sehnsucht
Zunächst allein bestritt Amigo den Auftakt des Konzerts, welches fortan und ohne Pause das Publikum verzauberte. Schon nach wenigen Noten seines einstimmenden Solos zog der Gitarrist mit seiner Ausstrahlung und Virtuosität die Hörer in seinen Bann. Die Ouvertüre spiegelte wider, was folgen sollte: Klangbilder voller Sehnsucht und Melancholie, dazu als Kontrast rapide, aufbrausende Wechsel voller Feuer und Temperament.
Amigo, der auch mit Sting oder John McLaughlin zusammenarbeitet, hatte sich ein hervorragendes Ensemble voller Spielfreude mitgebracht. Ein stetes Changieren zwischen verschiedenen Spielarten des Flamenco bescherte dem Publikum immer neue Klangerlebnisse. Im Zentrum stand meist das brillante Gitarrenspiel Amigos, das mit seinem Niveau über bekannte Flamencostandards allerdings weit hinausreicht in seiner Kreativität und Offenheit für weitere Einflüsse.
Das andere Element war der Rhythmus: Für ihn sorgten maßgeblich Paquito Gonzalez, der spielerisch und mit immer neuen Varianten seine Cajón bearbeitete, sowie der unauffällig assistierende Ewen Vernal am E-Bass. Mit dieser Formation sowie dem zweiten Gitarristen Añil Fernandez wäre bereits ein tolles, modernes Flamenco-Ensemble zusammengestellt.
Rafael de Utrera als „Cantaor“
Doch Vincente Amigo verbindet das Moderne mit der Tradition, daher besetzt er auch den „Cantaor“, den Gesangspart im Flamenco. Rafael de Utrera verleiht diesem Part seine Stimme. Zunächst begleitete er vokalistisch die tragenden, wundervoll fließenden Stücke, die andalusische Atmosphäre im Festspielhaus verbreiteten. Unterstützt vom Rhythmus der „Palmas“, der Handflächen seines noch sitzenden Nachbarn El Choro, steigerte sich de Utrera im Lauf des Konzerts in seine Rolle. In seiner Interpretation eines traditionellen Flamenco-Märchens („Erase una vez“) begeisterte er und hatte einen weiteren großen Auftritt mit einer musikalsichen Hommage an Andalusien.
Improvisation mit Gespür
Vicente Amigo spielte derweil mit souveräner Leichtigkeit auch die schwierigsten Parts, improvisierte gekonnt und mit Gespür. Ihm und seiner Band gelang einmal mehr der nicht einfache Spagat zwischen Tradition und modernen Spielarten.
Eleganter, maskuliner Tanz
Doch die Gesamtchoreographie sah einen weiteren Höhepunkt vor, denn der bislang unauffällige Rhythmusgeber „El Choro“ erhob sich und betrat als Tänzer die Fläche vor der Band. Rhythmisches Aufstampfen mit den Hacken, den „tacones“, elegante und sehr maskuline Tanzbewegungen und Drehungen von Körper, Armen und Händen zeichneten seinen mitreißenden Auftritt aus, der auch bei seiner eigenen Band Staunen und Begeisterung auslöste.
Das Publikum im Festspielhaus riss es von den Sitzen, es gab lang anhaltende Ovationen und noch sehr schöne, melodische Zugaben. Andreas Friedrich